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In der Krise führen Köpfe – nicht Algorithmen

Warum Technische Kaufleute für stabile Lieferketten immer wichtiger werden

 

ERP gut, alles gut? Nicht ganz.
Denn wenn Algorithmen versagen, Daten fehlen oder Lieferketten ins Wanken geraten, zeigt sich: Es braucht mehr als smarte Systeme – nämlich Menschen mit Überblick, Erfahrung und Urteilskraft. In einer zunehmend komplexen Welt ist Resilienz in der Supply Chain auch heute noch Kopfsache.

Digitalisierung als Fortschritt – aber nicht als Allheilmittel
Zweifellos hat die Digitalisierung im Supply Chain Management vieles vereinfacht. Prozesse wurden automatisiert, Schnittstellen vernetzt, Entscheidungen datenbasiert getroffen. Mit modernen KI-Technologien wie Predictive Analytics oder Large Language Models können sogar schwach signalisierte Risiken frühzeitig erkannt werden.

Doch all diese Systeme stossen an Grenzen – vor allem dort, wo es um situative Verantwortung, implizite Bedeutungen oder widersprüchliche Ziele geht.

Wenn Technologie nicht mehr weiterhilft
Krisensituationen stellen selbst die fortschrittlichsten Systeme auf die Probe. Drei zentrale Herausforderungen bleiben:

  • Kontextsensitivität: Kulturelle Unterschiede, branchenspezifische Eigenheiten oder juristische Grauzonen sind für KI schwer interpretierbar.
  • Ermessensspielraum unter Druck: Entscheidungen lassen sich nicht immer berechnen – manchmal braucht es Fingerspitzengefühl und Wertebewusstsein.
  • Zielkonflikte: Lieferfähigkeit vs. Redundanz? Effizienz vs. Resilienz? Solche Fragen erfordern Abwägung statt Optimierung.

Lieferketten scheitern selten an Technik allein – sondern an einer Realität, die dynamischer und widersprüchlicher ist, als es jede Software erfassen kann.

Der Mensch als unterschätzter Resilienzfaktor
Wenn ein ERP-System zwar korrekt bestellt, der Lieferant aber kurzfristig absagt oder eine scheinbar austauschbare Komponente sich als untauglich entpuppt – dann hilft keine weitere Datenauswertung, sondern operative Intelligenz.

Es braucht Fachleute, die die Systemlogik verstehen und situativ reagieren:
Menschen, die Produktion, Logistik und Spezifikationen kennen – und über den Tellerrand hinausdenken. Gefragt sind vernetzt denkende, flexibel agierende Profis mit Mut zur Entscheidung.

Technische Kaufleute als Brückenbauer
Ob in der Disposition, im Einkauf oder in der Produktionsplanung – Technische Kaufleute stehen heute an zentralen Schnittstellen. Sie koordinieren Lieferanten, analysieren Verfügbarkeiten, planen Materialflüsse und bewerten technische Spezifikationen.

Dabei ist ihre Rolle zunehmend strategisch. Denn wer heute Material beschafft, beeinflusst die Risiken von morgen: politische Instabilität, ESG-Vorgaben, Zollbestimmungen oder IT-Abhängigkeiten – all das ist Teil des Alltags.

«Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren schmerzhaft erlebt, wie brüchig globale Lieferketten sein können – vom Halbleiter bis zur Verpackungseinheit», sagt René Canal, stellvertretender Prüfungsleiter bei anavant. «Gerade Technische Kaufleute sind gefordert, ihre Rolle breiter zu denken – nicht nur als Umsetzer, sondern als Risikofrühwarnsystem.»

Wieviel Supply-Chain-Kompetenz braucht es?
TK müssen keine globalen Risikoanalyst:innen sein – aber sie brauchen das Gespür für kritische Abhängigkeiten und die Fähigkeit, Alternativen zu entwickeln. Fehlende Diversifizierung, wie im Fall eines KMU mit nur einem asiatischen Lieferanten, kann schnell zur strategischen Schwachstelle werden.

Mögliche Gegenmassnahmen:

  • Dual- oder Multiple-Sourcing
  • Lokale Alternativen
  • Flexible Liefermodelle
  • Digitale Frühwarnsysteme für Bedarfs- und Verfügbarkeitsprognosen

 Vom Sachbearbeiter zur Schlüsselperson
Technische Kaufleute mit systemischem Verständnis sind heute unverzichtbar. Sie bringen technisches Know-how, wirtschaftliches Denken und ein Gespür für regulatorische Rahmenbedingungen mit – eine Kombination, die in modernen Liefernetzwerken den Unterschied macht.

«Die Prüfungsanforderungen im Bereich Supply Chain Management wurden in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt», sagt Canal. «Heute genügt es nicht mehr, einfach zu disponieren. Man muss Risiken erkennen, Alternativen bewerten und vorausschauend handeln können.»

Fazit: Ohne Köpfe keine Resilienz
Technische Kaufleute sind weit mehr als operative Umsetzer – sie sind Gestalter robuster Liefernetzwerke. Wer Prozesse versteht, Risiken antizipiert, in Alternativen denkt und digitale Tools gezielt einsetzt, wird zur Schlüsselperson für Unternehmens Resilienz.

In der Beschaffung gilt längst nicht mehr «Business-as-usual» – sondern: Business-not-as-usual.
Und das funktioniert nur mit einem starken Mix aus Fachwissen, Verantwortung – und klarem Kopf.

René Canal hat ein Studium in Chemie und Betriebswirtschaft absolviert und besitzt die Lehrbefähigung für wissenschaftliche Fächer. Nach vielen Jahren in der Logistik und Technik einer internationalen Firma war er einige Jahre Miteigentümer und Geschäftsleiter einer Engineering-Firma im Raume Zürich. Mit seiner jahrelangen Tätigkeit als Schulleiter und einem Unterrichtsmandat in einer Fachhochschule kennt er das Bildungswesen. Als Generalist ist er seit mehr als 20 Jahren «on board» bei anavant  und stellvertretender Prüfungsleiter sowie Fachvorstand der Fächer Supply Chain Management und Integrierte Fallstudie.